Ingrid Geringer im Gespräch mit Cecily Corti und Veronika Kerres
© Thomas Vorstandlechner

Obfrauen im Gespräch

Anlässlich den Jubiläums sprach Ingrid Geringer mit VinziRast-Gründerin Cecily Corti über die Anfänge und mit der heutigen Obfrau Veronika Kerres über das Weiterführen des Werkes von Cecily Corti. Lesen Sie nach, was die Obfrauen über VinziRast, die Arbeit und Unterstützung zu sagen haben:

Geringer: Am Anfang war das Wort. Nach einem Vortrag von Wolfgang Pucher, Pfarrer in Graz-St. Vinzenz, wussten Sie, dass Sie eine Heimat für Heimatlose in Wien schaffen möchten. Was war denn seine überzeugende Botschaft?
Corti: Das war ein längerer Prozess, der das überhaupt alles möglich machte. Ich hatte ein paar Monate in Paris in einem Frauenhaus gearbeitet, was mich sehr beeindruckt hat. Ich habe mich immer für Menschen interessiert, mich gefragt, wie kann ich Mitmenschlichkeit in die Welt tragen und aus meiner Ohnmacht heraustreten? Dann hörte ich den Vortrag von Pfarrer Pucher und da waren zwei Aspekte, die mich wirklich getroffen haben: die Sünde der Distanz und die bedingungslose Akzeptanz.

Geringer: Wie erklärt sich der Erfolg der VinziRast?
Corti: Mein ganzes Engagement für die VinziRast ist immer gewesen: Was lerne ich dazu? Es gibt diesen wunderbaren Satz: „Du verlierst nie, entweder du gewinnst oder du lernst.“ Erfolg ist für mich kein Kriterium. Ebenso wenig habe ich mich mit der Frage nach dem Ziel beschäftigt. Ich wollte Erfahrungen machen und etwas zur Verfügung stellen. Es ging nicht darum, etwas Konkretes zu erreichen, sondern um Offenheit dem Leben gegenüber, sich einlassen und dann darauf reagieren.

Geringer: „Die intensive Suche nach einem Grundstück beginnt und scheitert …“ – so liest man es auf der Homepage. Wie sind Sie mit diesem Scheitern umgegangen?
Corti: Es hat mich dazu gebracht, nicht aufzugeben, wach und offen zu bleiben. Was sind die anderen Möglichkeiten? Nichts konnte mich davon abhalten weiterzumachen. Viele Menschen haben mir abgeraten, mir gesagt ich wäre verrückt. Aber ich hatte auch tolle Resonanz. Der damalige Parlamentspräsident und spätere Bundespräsident Dr. Heinz Fischer sagte zu mir: „Das kriegen wir schon hin.“ Oder Kardinal Schönborn, der alle Pfarren angeschrieben hatte. Das gab mir Energie und Zutrauen. Ich habe immer gespürt, ich bin nicht alleine, es gibt viele unterstützende Kräfte.

Geringer: Es folgte die Gründung der Vinzenzgemeinschaft und der Unternehmer Michael Gröller finanzierte das Wohnhaus in der Wilhelmstraße. Wie haben Sie sich gefunden?
Corti: Er rief mich an, ich hatte nie zuvor seinen Namen gehört. Er erzählte mir, dass er zu einem guten Freund gesagt hätte: „Ich habe so viel Glück in meinem Leben gehabt und ich möchte eine größere Summe spenden, hast du eine Idee?“ So kam alles ins Rollen. Wir haben einfach angefangen und damit bewiesen, dass wir es ernst meinen.

Geringer: 2007 konnten Sie Dr. Hans Peter Haselsteiner, Chef der STRABAG, als Sponsor gewinnen. Was hat ihn überzeugt?
Corti: Auf der Suche nach Baumaterialien für das Vinzi-Rast-CortiHaus habe ich sämtliche Baufirmen angerufen. Über die Politikerin Heide Schmidt, kam dann der Kontakt zu Dr. Haselsteiner zustande. Wir verabredeten uns zu einem Gespräch und am Ende sagte er: „Des g´fallt ma, des mach i.“ Unfassbar! Alles Menschen, die ihr Wort hielten! Nach nur neun Monaten war das Haus generalsaniert.

Geringer: Veronika, Sie sind die Nachfolgerin von Cecily Corti. Im Vergleich zu den Anfängen: Wie leicht oder schwierig ist es in der heutigen Zeit, die VinziRast durch Spendengelder zu finanzieren?
Kerres: Es ist viel komplexer geworden. Vor 20 Jahren waren die Zeiten wirtschaftlich auch besser und wir haben jetzt einen viel höheren Finanzierungsbedarf. Wir sind sehr gewachsen und es ist nicht mehr möglich, ausschließlich mit Freiwilligen zu arbeiten.

Geringer: Hat sich das Engagement der Freiwilligen verändert?
Kerres: Im Vergleich zu früher gibt es heute mehr Männer unter den Freiwilligen und auch viele junge Menschen, die voll im Arbeitsleben stehen und trotzdem ihren Beitrag zur Gesellschaft leisten wollen. Über 90 % unserer Arbeit wird weiterhin von Freiwilligen getragen. Ich denke, die Menschen schätzen unseren unbürokratischen Zugang und sehen, dass wir unsere Versprechen halten

Geringer: Einst nur Notschlafstelle, stecken heute unter dem Dach der VinziRast sechs verschiedene Projekte.
Kerres: Jedes einzelne Projekt hat seine Berechtigung und wir haben es gemeinsam geschafft, durch die verschiedenen Projekte auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Menschen einzugehen. Wir haben durch die Vielfalt mehr Ressourcen und können dadurch viel mehr anbieten: Nicht nur Unterkunft, sondern auch vertrauensbildende Beschäftigung, durch die sich neue Chancen für die Menschen ergeben.

Geringer: Das jüngste Projekt ist die VinziRast am Land – wie kam es zu dieser Idee?
Kerres: Wir hatten schon lange den Gedanken aufs Land zu gehen, etwas Komplementäres zu den Wiener Standorten zu machen. Schließlich bot uns Hans Peter Haselsteiner das Objekt an. Uns war klar, dass dieses Projekt drei Schuhgrößen zu groß ist, aber auch viele neue Möglichkeiten birgt. Der Anbau und Verkauf von Gemüse, die Vermietung von Zimmern und Seminarräumen, die Tatsache, dass hier viele Menschen aktiv und sinnvoll untergebracht werden können und mit ihrer Arbeit etwas an die Gesellschaft zurückgeben. Wir betrachten es als einen Meilenstein in der Obdachlosenbewegung. Es entspricht ganz und gar unserem Leitbild: Würde und Wert.

Geringer: Veronika, was haben Sie von Cecily gelernt, das Sie in ferner Zukunft einmal an Ihre Nachfolge weitergeben werden?
Kerres: Das, was mich wahrscheinlich am meisten prägt, ist dieses Dranbleiben. Wenn man eine Bestimmung hat, sich nicht unterkriegen lassen von den ganzen negativen Kritikern, die ständig sagen, was nicht geht. Wenn Cecily etwas will, dann geht sie darauf zu und automatisch fallen dann diejenigen weg, die immer Bedenken haben. Und dann heißt es: Verantwortung übernehmen.

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