Die VinziRast-Schreibwerkstatt
Ausgerechnet Schreiben
"Ausgerechnet Schreiben mit Menschen, die Probleme haben? Existentielle Probleme im wahrsten Sinn des Wortes? Ja, ausgerechnet Schreiben. Weil es eine Möglichkeit ist, das eigene Leben in Besitz zu nehmen, das so oft nur Last zu sein scheint. Mit ein bisschen Glück hilft der Stift in der Hand, Dinge klarer zu sehen, Abstand zu gewinnen. Die Last bleibt, aber sie muss nicht mehr nur dort drücken, wo die tieferen Wunden schwören.
Schreiben, weil es eine Möglichkeit ist, sich Gehör zu verschaffen, endlich, und sei es nur für kurze Zeit, Zuhörer zu haben, und auch selbst Zuhörer zu sein. Zu erleben, wie das Zuhören ein Stück von der lähmenden Angst nimmt, dass doch keiner versteht und keinen interessiert, was mit einem los ist.
Ich leite oft Schreibwerkstätten mit verschiedenen Gruppen. Die in der VinziRast ist die einzige, bei der ich ganz selbstverständlich mitschreibe, genau wie die Betreuer und die Betreuten. Vor den strengen Blicken des weißen Papiers sind wir tatsächlich gleich. Und die Qualität des Zuhörens, die jede und jeder beim Vorlesen erlebt, macht Mut zu neuen Versuchen."
Renate Welsh-Rabady, Leiterin der VinziRast-Schreibwerkstatt
Trägerin des Literaturpreises der Stadt Wien 2016 und des Theodor-Kramer-Preises 2017. Ihre Lieblingsauszeichung ist der Satz der VinziRast-Schreibwerkstatt-Teilnehmerin Hajidi K.: "Du machst Fenster auf, wo keine sind!"
Das Buch aus unserer Schreibwerkstatt
Immer wieder wurde ich gefragt, was an der Schreibwerkstatt in der VinziRast so besonders wäre, oft mit einem leicht vorwurfsvollen Unterton, als müsste ich mich dafür rechtfertigen. Wer "Mit einem Fuß auf zwei Beinen stehen" auch nur angeblättert hat, stellt diese Frage nicht mehr...
Renate Welsh-Rabady
157 Seiten, Renate Welsh-Rabady (HG), Aleksandra Pawloff (Fotos), ehemals obdachlose Autoren und Autorinnen. ISBN 978-3-85351-263-0
© Wiener Dom-Verlag
Einzelpreis € 19,90. Mit dem Kauf des Buches unterstützen Sie die VinziRast.
Geschriebenes - Texte aus der Schreibwerkstatt
Kalt – Warm
Gestern war i oben beim Michi auf der Philadelphia, hob eam 50 Cent geben, damit er aufs WC gehen kann, weil zu mir kummt der ja net. Am Sonntag liegt er auf da Stroßn, da hob i g’sagt: Hearst, kumm zu mir! Und kumman is er, i hob g’sagt: Soll i di dafriarn lossn? Von hoi-ba zehne in da Frua bis um sechse auf d’Nacht war er da, dann hat er eh sei Bett kriagt. I sog zu eam: Wennst amoi was brauchen tuast... I lass neamd dafriarn. Wenn er net kummt, kann i nix machn.
Seppi
Vertrauen – Misstrauen
Misstrauen wird dann gefährlich, wenn man zu Vertrauen nicht mehr fähig ist.
Michi
Zeit...
Hast du keine Zeit mehr für zehn Minuten am Tag zum Relaxen, dann bist du über deine Zeit hinausgeschossen, und du realisierst nicht mehr, dass deine Zeit abgelaufen ist – und aus.
Michael
Danke
So oft, wie „danke“ nur beiläufig ver-wendet wird, habe ich das Gefühl, wird es wirkungslos, wenn ich es wirklich meine. Die Anderen hören nur eine Phrase, keine Dankbarkeit ... Ein ehrli-ches Danke ist ein Bedürfnis.
Leo (Zivildiener)